Schrecksekunden für Hundeführer…
Der Moment, wenn du siehst, wenn bei der Hetze das GPS-Signal deines Hundes an der Strasse abbricht ist und sich dann nicht mehr bewegt…
Ich hatte noch die ganzen Dinge von unserem Stand beim Kreisjägertag im Auto, einschliesslich Schulze, unserer Kleiderpuppe, als mich morgens kurz vor 7 Uhr Jörg unsanft aus den Federn klingelte. Hatte er mich schon vermisst? Natürlich nicht, eine Nachsuche auf eine vermutlich laufkranke Sau der 40 kg-Klasse stand an, und er wollte mir mit Falko Gelegenheit geben, sie zu arbeiten. So trafen wir uns um 9 Uhr – auf eine Anschusskontrolle auf dem freien Feld haben wir verzichtet, da der Schütze uns die genaue Stelle zeigen konnte, wo die Sau nach dem Schuss in den Wald gewechselt war. Einige Tropfen Schweiss, niedrig abgestreift, auf den folgenden 20 Metern nochmals ein paar spärliche Tropfen, das wars.
Falko lag anfangs gut im Riemen, arbeitet die Fährte bis zum Bachbett, dann zurück – genau wie der Schütze es beschrieben hatte, dessen Terrier in der Nacht noch vorgesucht hatte. Dann verloren wir die Fährte in einer Senke, ich beschloss am Beginn neu anzusetzen. Aber auch der zweite Durchgang endete ohne Ergebnis.
Erstmal absitzen, Jörg sorgte mit klarer Ansprache für Beruhigung bei mir und Falko. Jörg beschloss, Emma zu holen, ich sollte mit Falko folgen. Und Emma arbeitete ruhig lange Zeit auf derselben Fährte wie Falko. Die erfahrene Kopov-Hündin ließ sich aber von der Sau nicht täuschen und konnte – nach endlos scheinenden 10 Minuten – die Wiedergänge auflösen. Jetzt ging es zügig in die andere Richtung, parallel zum Waldrand, bis die Sau dann aufs offene Feld wechselte. Erinnerungen an unsere letzte gemeinsame, leider vergebliche 16 km Suche wurden wach…. aber schon ging es in die Brombeeren, den Wald hinauf. Jörg rief per Funk das Begleitfahrzeug herbei und wies es an, im Wald vorzugreifen. Weiter ging es durch Fichtendickungen, durch Brombeeren, Emma und Jörg voraus, ich mit Falko hinterher. Falko wurde fester, zog in die Dickung hinein, als Jörg schon brüllte „Sau, Sau…“ ein kurzes Rumpeln, keine Chance die Sau auch nur zu sehen, keine Gelegenheit für Jörg und erst recht nicht für mich, zum Schuss zu kommen… Ich stand unterhalb von Jörg, der Emma schon geschnallt hatte und rief, ob er Falko dazu schnallen sollte – aber klar, dafür haben wir die Hunde ja dabei…und mit heiserem Laut ging die Hatz ins Tal. Schnell hatten die beiden Hunde 300, 500, 600 Meter auf der Uhr. Wir stiegen hangaufwärts und riefen per Funk das Begleitfahrzeug, um uns abzuholen.
Glücklicherweise ging es nun sehr schnell, auf den schon bekannten Waldwegen den Hunden hinterher, die mittlerweile einen gewaltigen Vorsprung hatten. Unsere Befürchtungen sollten sich bestätigen – die Sau hatte den Fernwechsel angenommen und war auf dem Weg zur Strasse. Aber wir holten auf – die Sau war vielleicht langsamer geworden oder hatte sich gar gestellt? Über die Brücke, auf die Hauptstrasse eingebogen, die Serpentinen hinauf – und plötzlich tauchte links in einem Graben, nur 20 Meter von der Strasse, die Sau auf – sie hatte über die Strasse gewechselt und sich dort Emma gestellt. Der Fahrer stieg gewaltig in die Eisen, wir stürzten raus aus dem Auto, und schon lief Jörg links den Rückweg hinauf, während ich rechts unten an der Strasse sicherte. Das war der Sau wohl zu viel – sie verliess den Graben, zwei schnelle Sprünge hangaufwärts Richtung Jörg. Ich hatte ein zwar enges Schussfenster, aber keinen Blick auf Jörg. Dann sah ich die Sau im Sprung eindrehen, auf Jörg zu, der mehr rückwärts stolperte als lief und schon brach der Schuss. Volltreffer, auf kürzeste Distanz, fast aufgesetzt. Jörg ging auf Nummer sicher und setzte mit der kalten Waffe noch einen Fangstoss. Sau tot!
Aber ein Hund fehlte – nur Emma war am Graben an der Sau gewesen, von Falko keine Spur. Zurück ans Auto und ans Garmin – da ist ja das Signal, 500 m aufwärts, direkt rechts an der Strasse muss er sein….aber nichts bewegt sich. Ich treibe den Fahrer an, schneller, schneller, noch 200 m, das Signal ist immer noch an derselben Stelle. Ich hab Herzrasen, sehe meinen Hund schon im Geiste an der Strasse liegen, noch 100 m – jetzt sind wir da – keine Spur vom Hund. Ich springe raus, rufe, pfeife, hangabwärts auf das Signal zu – er wird sich wohl mit letzter Kraft in den Wald geschleppt haben… aber nichts zu sehen. Dann hinter mir ein Schrei „Da kommt er“… und da taucht ein pudelnasser Drahthaar zwischen den Fichten auf. Mich haut’s erstmal von den Füssen, ich drücke das nasse Bündel…
Momente, die man eigentlich nicht beschreiben kann. Warum hat er keinen Laut gegeben, warum nicht? Und schon liegt er wieder in der nächsten Pfütze, klar, er ist ausgepowert, 3 km Hetze hat er hinter sich. Wir fahren zu Jörg zurück, der die Sau bereits an die Strasse gezogen hat, wir stehen noch kurz beisammen, dann fahren wir zurück zum Ausgangspunkt. Viel reden kann ich nicht, trotz des Erfolges, der tollen Leistung von Emma und den guten Nerven von Jörg sitzt mir noch der Schreck in den Gliedern.
Erst später am Abend werten wir die GPS-Geräte aus. Die aufgezeichneten Routen zeigen, dass Emma und Falko die Sau gemeinsam verfolgt haben, nach fast 3 km Hetze hinter ihr über die Strasse gewechselt sind. Und dann, nur 30 Meter vor dem Ort der späteren Erlegung, dreht Falko plötzlich ab, läuft links der Strasse wieder fast 300 Meter auf seiner Fährte zurück, um dann wieder – am selben Ort – die Strasse zu queren und hangabwärts, vermutlich bis zum Bachbett, zu laufen.
Was ist passiert – hat die Sau attackiert und er hat was abbekommen? Verletzungen hat er jedenfalls keine, und so können wir über die Ursache nur spekulieren.
Zur Strecke kam ein ca. 40 kg schwerer Überläufer-Keiler mit einem Laufschuss, nach knapp 2 km Riemenarbeit und 3 km Hetze.